^Was antworte ich auf die Sorgen unserer Kinder, wenn eine Katastrophenmeldung nach der anderen uns überrollt. Wenn nach der Wahl in den USA die Frage gestellt wird: „War es das jetzt mit uns?“ Was sage ich, wenn ich höre: „Wir haben bisher ein so gutes Leben geführt, aber das liegt jetzt hinter uns, von nun an wird es nur noch schlimmer und schlimmer werden.“ – und mich das so sehr trifft, dass ich nicht weiß, ob ich weinen oder schreien soll.
Wie gehe ich mit dem Aufstieg des Faschismus überall auf der Welt um, wie mit der völligen Enthemmung der fossilen Weltzerstörer. Wie mit einem orange geschminkten Wahnsinnigen und seinem 900 Seiten starken Masterplan zur Welt-Zerstörung. Wie mit der Klimakatastrophe, mit dem Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein, das immer mehr um sich greift.
This is the fight
The fight for our lives
Scream out loud
This is our houseThis is the time
we won’t back downWould you join me in the fight
the fight for our lives
Scream out loud
This is our house
This is our house – Der Kampf GEGEN
In der „Herr der Ringe“ Trilogie erzählt J.R.R. Tolkien diese kurze Episode: Die Gefährten um Frodo und Gandalf sind in den Minen von Moria angelangt, tief unter der Erde, umgeben von dunkelsten Bedrohungen. Mitten in den Kämpfen ergibt sich in dieser surrealen Umgebung plötzlich ein kurzer Augenblick der Ruhe. So sitzen beide nun erschöpft nebeneinander:
“I wish it need not have happened in my time,“ said Frodo. „So do I,“ said Gandalf, „and so do all who live to see such times. But that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given us.”
(J.R.R. Tolkien, The Fellowship of the Ring)
Wie in den Minen von Moria, im Gefecht gegen Orks und den Balrog, so gilt auch heute: hier stehen wir, das hier ist unser Leben und unsere Zeit, unser Ort, an den wir gestellt sind und an den wir gehören. Das können wir nicht ändern und es steht uns auch nicht zu, das zu beklagen. Zum Glück sind das nicht die dunkeln Minen Morias, sondern eine Welt, in der es uns immer noch recht gut geht, die viele Möglichkeiten für uns bereit hält. Aber es ist ein Ort, an dem auch wir uns zu positionieren und Entscheidungen zu treffen haben – oder mit Gandalf gesprochen: „decide what to do with the time that is given us“. Und dabei ist unser Umgang mit dem Zerstörerischen, dem Bösen, den „Orks“ unserer Tage, die uns da gegenüberstehen, zu klären. Es ist wahrzunehmen – und ihm ist zu widersprechen, zu widerstehen, und damit: es ist zu bekämpfen. Wir sollten „unser Haus“ nicht widerstandslos den Zerstören überlassen.
Ja, das mag etwas viel an Pathos sein – aber vielleicht braucht es schon einmal stärkere Eingaben, wenn etwas sehr festgefahrenes und erstarrtes aufgebrochen werden will
Daher noch einmal: Wir stehen in einem Kampf. Und diese ist GEGEN etwas zu führen. GEGEN die „Männer die die Welt verbrennen“ (LINK!!), die schneller alles einreißen, Tod und Zerstörung bringen, als wir, die Guten, das wieder reparieren und neu aufbauen können. GEGEN einen fossil-faschistischen Kapitalismus, der nur verbrannte Erde hinterlässt. Wer das ausblendet, macht es sich zu leicht, ist nicht bereit, seine sichere Zone zu verlassen, bricht seine Analyse zu früh ab. „This is a fight, a fight for our lives“ – sorry: nein, das ist nicht zu martialisch.
Warum ist das so? Weil das Aushandeln von Strategien für einen geordneten Übergang mit einer Gegenseite, die sich längst für die komplette Zerstörung entschieden hat, keine Option mehr. Die Zeit hierfür ist vorbei. Spätestens, wenn der „Project 2025“ – Plan in den USA umgesetzt werden wird, also ab Januar/Februar nächsten Jahres, werden wir das in einer neuen Eskalations-Stufe dramatisch vor Augen geführt bekommen. Welchen Kompromiss will ich denn mit einem zerstörenden System suchen? Etwas weniger zerstören, zerstören aber dabei freundlich lächeln, oder was sonst?
Jede „Oma gegen rechts“, jeder juristische Prozess um unsere Lebensgrundlagen, jede Gerechtigkeits-Initiative, jede Psychologin, die sich um traumatisierte junge Menschen kümmert, jede am heimischen Computer unterzeichnete Petition, jede Initiative für die Begrünung von städtischen Flächen, jedes Windrad und jedes Solardach, jede feministische Initiative, jede diesen freien Geist atmende Kunst, jede große, bunte Demo, die durch die Straßen zieht ebenso wie die kleine Gruppe, die einen AFD-Stand blockiert ist genau das – Widerspruch, Widerstand, Kampf, unser Teil und unser Beitrag zum „Fight for our lives“. Das ist kein Popanz, das sind keine Kleinigkeiten. Wir sollten das schon richtig einsortieren.
Das Böse ist nur durch das Gute zu besiegen, das Graue und Rückwärtsgewandte nur durch das Bunte und nach vorne Ausgerichtete, das Zerstörende nur durch Aufbauen, Hoffnung, Erblühen-lassen. Und immer dürfen wir die Hoffnung am Leben erhalten, dass diese Auseinandersetzung gewonnen werden kann. Play to win !!– nichts weniger.
Was mich mutlos macht.
ist daß es so schwer ist
zu sehen wohin ein Weg geht
zum Recht und zur sicheren Zukunft
aber was mir dann wieder Mut macht
ist daß es so leicht ist
zu sehen wo Unrecht geschieht
und das Unrecht zu hassenUnd auch wenn es nicht leicht ist
gegen das Unrecht zu kämpfen
so verliert man dabei
doch nicht so leicht seine Richtung
denn das Unrecht leuchtet so grell
und verbreitet so starken Geruch
daß keiner die Spur des Unrechts verlieren mußWenn der Weg zum Recht und zur Zukunft
Erich Fried – Wegweiser
dunkel ist und verborgen
dann halte ich mich an das Unrecht
das liegt sichtbar mitten im Weg
und vielleicht wenn ich noch da bin
nach meinem Kampf mit dem Unrecht
werde ich dann ein Stück
vom Weg zum Recht erkennen
Play to win – Der Kampf FÜR
Es gibt aber noch einen Kampf, der zu führen ist. Und das zunächst ebenfalls ei Kampf GEGEN, aber letztlich ein Kampf FÜR. Die britische Agentur „Futerra“ hat in diesem Kontext den Begriff „Fighting Frankenstein“ in die Diskussion eingeführt: zu bekämpfen ist die uralte Vorstellung vom Menschen, der sein Monster erschafft und das Monster nun verdientermaßen den Menschen zerstört. „Earned Dystopia“ nennt Futerra das. Und dieses Denken ist tief in uns verankert.
It’s an age-old morality tale: From the ancient golem of Judaic tradition rampaging against its master, to the monster killing Dr Frankenstein or nuclear testing unleashing Godzilla. This ‘earned dystopia’ tale is one of the basic plots programmed into us from early human history – an unstoppable narrative necessity that the consequence of hubris is death. The inevitability of this story runs through modern storytelling on climate – from The Day After Tomorrow to Don’t Look Up – most of us die at the end. Millions of nihilistically witty memes flood social media with this story – human beings have been bad, so we deserve a bad end.
Schriftsteller, Filmemacher, Künstler, haben uns diese Zukunft immer wieder ausgemalt. Und die – ganz realen – Bilder der von der fossilen Erderwärmung ausgelösten Brände, Fluten , Stürme, Dürren, verbunden mit den riesigen Leid, das sie verursachen, sind für uns auch ohne Frankensteins Monster allgegenwärtig.
Wollen wir wirklich erfolgreich sein, dann brauchen wir eine bessere Geschichte. Eine, die den Doom-Loop aufbricht und von unserer Kraft, unsere Macht und unseren Möglichkeiten erzählt. Eine neue Geschichte, die wir uns erzählen können und die transformative Kraft entfalten kann Die unsere emotionale Landkarte umschreibt.
From fear and terror to hope. From anger and rage to purpose. From grief to awe. From confusion to confidence. From guilt to pride. From apathy to motivation. From frustration to clarity. From defiance to desire. From hostility to belonging. From boredom to excitement. From mistrust to openness. From exhaustion to energy. From logic to magic.
„I have a dream“ – das hat die amerkianische Bürgerrechtsbewegung der Afroamerkaner geeint, motiviert, nach vorne geführt und schließlich die Gesellschaft verändert. „A dream, that one day ,…“. Es war das Bild von Freiheit und Selbstbestimmung, dass die Menschen 1989 in der DDR auf die Straßen trieb und schließlich über die Trümmer der Mauer klettern ließ. Es sind diese Bilder von Selbstbestimmung, Freiheit und Menschenrechten, die den Frauen im Iran Mut für ihren Widerstand geben, die einen arabischen Frühling möglich machten, die das syrische Monster-Regime um Assad in wenigen Tagen zum Einsturz brachte, und aktuell die die Menschen in Georgien, Serbien und vielen anderen Orten der Welt auf die Straßen, in die Aktion, in den Widerstand führt.
Die „Anderen“, die Zerstörer, haben diese hat die Bilder und die Vorstellung, wo sie hin wollen. Auf den 900-seitigen Zerstörungs-Plan der Heritage-Foundation habe ich schon hingewiesen, und jeder Nazi braucht nur die vergilbten alten Bilder einer vermeintlich „besseren“ Zeit hervorzukramen.
Das müssen wir nicht immer nur der „Gegenseite“ überlassen und uns in reaktiv-verzweifelten Aktionen verlieren. Wir dürfen einen Zielhorizont formulieren, der als positives Bild immer vor Augen sein darf. Der gute Ausgang, den wir in allen Zweifeln und Verzweiflungen als weiterhin existierende Möglichkeit nicht aufzugeben bereit sein sollten.
Und so wird daraus ein Kampf FÜR. FÜR unsere Kinder, FÜR „Our House“ – diesen unseren einzigen Planeten, der uns ernährt und beheimatet. FÜR die, die jetzt schon leiden und sterben. FÜR uns, unsere gute Zukunft, unser gutes Leben.
FÜR das Nicht-Aufgeben, das Nicht-Einfügen, das Hoffnung-Bewahren.
Bilder und Strategien
„Sometimes the bravest thing we can do while facing an existential crisis is imagine life on the other side.“ (A. E. Johnson)
Wie wollen wir die emotionale und mentale Kraft hernehmen, unser Energiesystem, unsere Ernährung, unsere Mobilität, die Art wie wir leben, wohnen, reisen neu zu erfinden, neue Institutionen aufzubauen, die Wirtschaft vom Kopf auf die Füße zu stellen – wenn wir keine Vorstellung davon haben wie Ziele und Bilder unserer Arbeit und unserer Auseinandersetzungen aussehen könnten. Und wie sich ein Weg dorthin ausgestalten ließe. Wie Erfolg dann schließlich aussieht und sich anfühlten wird.
Die Herausforderungen könnten kaum größer sein – und dafür brauchen wir Bilder, Geschichten, die die Kraft haben, ein Gegengewicht zu schaffen, ohne dabei in Naivität, Schwärmerei oder Vereinfachung zu verfallen. Was, wenn es doch gelingen würde, wenn wir erfolgreich sein könnten?!
„What if we get it right“ – diesen Titel hat auch Ayana Elizabeth Johnson für ihr neues Buch gewählt, das ich an dieser Stelle empfehle. Lohnend als Einstieg ist auch das „Climate Action Diagram“ auf ihrer Internet-Seite.
Doch an dieser Stelle ist ein großes ABER einzufügen: Denn diese Erzählung darf sich nie verselbständigen, nie isoliert stehen, sonst wird sie zum Trugbild. Sie ist immer ein Gegen-Entwurf. Und sie ist nur mit dieser Ausgangs-Analyse vollständig: Wir führen einen Kampf – einen Kampf GEGEN und einen Kampf FÜR – und keinen Geschichten-Erzähl-Wettbewerb.
Bilder und Visionen ohne Pläne, Strategien und Aktionen sind nutzlos. Inspiration braucht Infrastruktur. Sie braucht den Willen, Systeme zu zu übernehmen und zu drehen. Groß gestelltes Denken muss große Veränderungen anstreben, Raum zurück zu erobern wollen um dort Neues aufzubauen.
Das ist unglaublich viel. Und gerade deswegen bleibt bestehen: Wir dürfen uns kraftvolle Geschichten erzählen, große Bilder machen. Und so unsere Hoffnung erhalten. Denn:
Hope is not a lottery ticket you can sit on the sofa and clutch, feeling lucky. It is an axe you break down doors with in an emergency. Hope should shove you out the door, because it will take everything you have to steer the future away from endless war, from the annihilation of the Earth’s treasures and the grinding down of the poor and marginal… To hope is to give yourself to the future— and that commitment to the future is what makes the present inhabitable.
Rebecca Solnit