Aus meinem neuen Buch:
Offene Türen – Ein Hoffnungsbuch
Mauern überwinden – Kapitel 5.2
Ein Sommerwochenende vor einigen Jahren. Wir sind in Holland und helfen unserem Sohn beim Umzug in die Studentenwohnung. Und nun stehe ich schon seit einigen Minuten im Badezimmer und schaue fasziniert zu, wie in der verschlossenen Duschkabine ein Insekt versucht, von innen durch die Glasscheibe hindurch nach draußen zu gelangen. Es schafft das nicht, denn die Glastüren sind zugeschoben, es findet keinen Spalt, wo es heraus kann. Aber: Die Duschkabine ist oben offen. Nur wenige Zentimeter über der Stelle, gegen die das Tier immer wieder fliegt, könnte es einfach hinaus. Aber es fliegt immer wieder an die gleiche Stelle, in der gleichen Höhe, mal etwas nach rechts versetzt, dann nach links, wieder in die Mitte, einige Kreise dort – aber stets an die gleiche Stelle.
Wahrscheinlich kann ein Insekt die Scheibe als Hindernis gar nicht erkennen, daher scheitert es immer wieder an ihr. Und etwas höher ist der Weg in die Freiheit.
Dieses Bild geht seitdem mit mir. Wir müssen nicht immer wieder gegen die gleichen Wände laufen, nicht immer an den gleichen Stellen scheitern, nicht immer in die gleichen Sackgassen rennen. Wir müssen nichts, wirklich nichts, einfach hinnehmen. Und vor allem müssen wir nicht weiter und weiter unser Anrennen gegen die Widerstände optimieren, damit wir irgendwann durchkommen. Sondern bewusst den anderen Weg gehen, den, der vielleicht erst wie ein Umweg erscheint.
Vieles im Leben ließe sich einfacher lösen, wenn wir nicht immer wieder die gleichen Muster abrufen und immer die gleichen Wege wählen würden.
Und die Lösung, der Weg an den Ort, den wir ja tragischerweise schon die ganze Zeit sehen oder erahnen können, liegt nun gerade nicht darin, dass wir dann alles kleiner machen: uns selbst, unsere Ziele, unsere Ansprüche. Uns also einfach mit weniger zufriedengeben – mit viel weniger.
Sondern: Wir dürfen jetzt wieder mutige und große Schritte machen. Und immer gilt: Oben geht es raus.
