Licht, das sich den Hirten zeigt,
Wort, das in Palästen schweigt,
Macht, die unsere Ohnmacht sieht,
Gott, der seinen Himmel flieht.Kind, von dem die Mutter singt,
Leben, das uns Leben bringt.
Frucht, die in der Erde reift,
Geist, der unsern Geist ergreift.Kind, das in der Krippe liegt,
König, der sich selbst besiegt,
Wind, der durch die Herzen weht,
Leben, das aus Gott entsteht.Friede, den kein Sturm zerstört,
(Georg Schmid)
Wort, das unsre Worte hört,
Wahrheit, die an Blinde denkt,
Liebe, die sich selbst verschenkt.
Weihnachten 2020 – Eine Standortbestimmung
Weihnachten – wieder einmal. Nach einem schweren Jahr 2020.
Worum geht es eigentlich? Die Erzählung geht so:
Eine junge Mutter bringt am Rande der antiken Welt ein uneheliches Kind zur Welt. In der tiefsten Provinz Palästinas, in einer Baracke vor dem Dorf, nachts, mitten im „Nirgendwo“. Bezeugt wird die Geburt von den Außenseitern der Gesellschaft, von denen, die nicht dazu gehören, die ihre Tiere haben aber mit Menschen nicht viel anfangen können. Und in eben diesem Kind manifestiert sich die Gegenwart Gottes, unter diesen Umständen und im letzten Winkel des römischen Reiches kommt Gott selbst „zur Welt“.
Dass sich gerade hier und gerade so die Gottesgegenwart zeigen soll – und das ist mit dem Bild von den Engeln, der „Menge der himmlischen Heerscharen“, ausgedrückt – ist völlig verrückt.
Oder eben: revolutionär, das bisher Geglaubte in Frage stellend, die Verhältnisse umkehrend.
Es stellt alles auf den Kopf – oder vielleicht auch wieder auf die Füße: Macht manifestiert sich in einem Bild völliger Machtlosigkeit, Göttlichkeit inmitten sozialen Elends. Außenseiter, aus dem System Gefallene, die zu Hauptfiguren werden. Die Ränder, die auf einmal wichtig werden und in Zentrum rücken.
Eine echte Zumutung.
Das ist wohl auch der Grund, warum wir dieses für unser wohlstands-gesättigtes Leben so gefährliche Bild über die Jahrhunderte hinweg mit grenzenlosen Kitsch übergossen haben, bis es für uns erträglich wird: mit Ochs-und-Esel-Romantik, mit süßen Engelchen, Glöckchen und Heiligenschein – und zum Schluß noch mit dem roten Coca-Cola-Weihnachtsmann, Wham und Bruce Willis.
Change is coming – der Sieg des Neuen
Das Gefühl von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Ausgeliefertsein haben viele Menschen in diesem Jahr erlebt – gerade die Engagierten und die Mutigen. Wie die Menschen, die sich in den letzten Wochen der Zerstörung des Danneröder Forstes entgegenstellten und dabei ihr Leben riskierten, die in diesem Jahr mit Aktionen zivilen Ungehorsams Brücken und Straßen besetzten oder sich in den Kohlerevieren für den Erhalt ihrer Dörfer, die einem völlig aus der Zeit gefallenen Energiesystem geopfert werden sollen, aufgerieben haben. Die dabei die Werte von Solidarität, Verantwortung, Friedfertigkeit teilten und die Vision einer besseren Welt jenseits des zerstörerischen Status Quo lebendig hielten.
Für alle, die in diesem Jahr scheinbar aussichtslose Kämpfe um den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen geführt haben, gilt dies: Gott positioniert sich. Stellt sich klar auf eine Seite. Und genau das drückt sich in jedem Satz der Weihnachtserzählung aus.
Dieses Revolutionäre, diesen Sieg des Neuen, der von Anfang an, noch im Allerkleinsten und Schwächsten, schon nicht mehr aufzuhalten ist, zu entdecken und zu beanspruchen, sich den Verhinderern und Bewahrern entgegenzustellen und die Ängstlichen mitzunehmen – das ist für mich die Konsequenz und der Auftrag aus der Weihnachtserzählung für 2020. Und das gilt es mit ins neue Jahr zu nehmen.
Denn: „Change is coming, weather you like it or not.“
„Every society has its protectors of status quo and its fraternities of the indifferent who are notorious for sleeping through revolutions.
Today, our very survival depends on our ability to stay awake, to adjust to new ideas, to remain vigilant and to face the challenge of change.“
Martin Luther King